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OLDTIMER-NEWS:

„Auftriebsstörer“ im tschechoslowakischen Motorsport

Nach nur 7 Monaten am Start

Anfang der 1970er-Jahre erkannte Skoda in Mladá Boleslav, dass bei den anspruchsvollen Rallyes gegen die internationale Konkurrenz mit Motoren bis zu 1300 ccm Hubraum – wie etwa im Skoda120 S Rallye – kein Erfolg möglich sein würde. Wollten die Tschechoslowaken bei der Musik bleiben, brauchten sie ein Rallye-Fahrzeug mit entsprechend großem Hubraum. Und an Ende der Entwicklung brachte dann doch ein 1300-ccm-Motor den Erfolg.

Als Basis für die Umsetzung dieses anspruchsvollen Projekts diente das Skoda110 R Coupé mit dem Aluminiummotor S 720. Der war bereits in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre für den gleichnamigen Prototypen entstanden und verfügte über eine moderne OHC-Ventilsteuerung. Außerdem nutzten die Konstrukteure die beim Aufbau des Skoda120 S Rallye gewonnenen Erfahrungen. Erste Prototypen waren bereits 1971 fahrbereit, Sie steckten in den Karosserien des S 1000 MB und des S 100 L. Zu Testzwecken bauten die Tschechen das Fünf-Gang-Getriebe aus den damaligen Tatra-Rennwagen 603-2.

Die Hauptverantwortung für die Entwicklung der Karosserie trug der Konstrukteur und Pilot Jiří Šedivý, der den S 110 R B5 für die Saison 1973 aufbaute. Das Dach des Fahrzeugs war um 7,5 Zentimeter tiefer gelegt, die Windschutzscheibe entsprechend kleiner. Dach und Fronthaube wurden aus 0,7 Millimeter dickem Aluminiumblech gepresst. Insgesamt wog das Fahrzeug 85 Kilogramm weniger als die Serienversion.

Im Laufe der Entwicklung standen die Konstrukteure vor einigen Herausforderungen. So erwies sich der vor der Hinterachse eingebaute Motor bei den Tests des Skoda110 R auf der Rundstrecke als Nachteil. Das Auto untersteuerte stark. Nach den finalen Anpassungen begannen die Arbeiten im Oktober 1973. Schon sieben Monate später stand der erste Wagen am Start.

Gewicht sparen mit Alu und Magnesium

Das Skelett des S 110 R – mit dem abgesenkten Dach und Seitenteilen, die auf Höhe der Schweller entsprechend gekürzt wurden – bildete die Basis des neuen Rallye-Coupés. Hier wurde der Sicherheitskäfig integriert, der auch die Torsionssteifigkeit erhöhte. Der Vorderwagen wurde so verändert, dass ein Luftröhrenkühler mit Ausströmungsöffnungen an der Fronthaube eingebaut werden konnte. Außerdem setzten die Konstrukteure auf einen Frontspoiler, den sie damals als „Auftriebsstörer“ bezeichneten.

Zusätzlich zu Alu-Dach und -Fronthaube kam noch eine Motorhaube aus glasfaserverstärktem Kunststoff, die es erlaubte, die Heckpartie des Coupés mit Lüftungsöffnungen zu versehen und den typischen Flügel mit Abrisskante zu modellieren. Besonders auffällig waren die verbreiterten Kotflügel: In den Radhäusern fanden breite Rallye-Reifen im Format 7-8 Zoll × 13 Zoll vorne und 7-10 Zoll x 13 Zoll hinten auf zweiteiligen Magnesiumfelgen Platz. Vorn sorgten Girling-Scheibenbremsen für die nötige Verzögerung, hinten kamen die Standard-Trommelbremsen des Skoda110 zum Einsatz. Diese wurden bei einem der Modelle im Laufe der Entwicklung ebenfalls durch Scheibenbremsen des britischen Herstellers Girling ersetzt.

Die Vorderachse basierte auf der des Skoda120 S. Für eine breitere Spur wurden die Querlenker verlängert und verstärkt, außerdem wurde die Lenkung angepasst. Die Hinterräder waren an Dreieck-Querlenkern aufgehängt, auf diese Weise ließen sich Sturz und Spur einstellen. Für die Federung des Skoda-Rallye-Fahrzeugs sorgten klassische Spiralfedern, die maßgearbeiteten Teleskopstoßdämpfer von Koni Sport waren einstellbar.

Ergebnis: 720 Kilogramm mit 140 PS

Das S 720-Triebwerk ermöglichte es, den Hubraum variabel zu halten, was die Konstrukteure auch entsprechend ausnutzten. Der kleinere der Vierzylindermotoren verfügte über einen Hubraum von 1772 ccm, der größere über 1997 ccm. Dafür sorgte bei identischer Bohrung von 87 Millimetern ein unterschiedlicher Hub der Kurbelwelle von 74,5 respektive 84 Millimetern. Die Triebwerke verfügten über eine Trockensumpfschmierung.

Die Modellbezeichnung ergab sich jeweils aus dem Hubraum: Der Wagen mit kleinerem Motor, der mit einem Weber 45 DCOE 2 Doppelvergaser eine Höchstleistung von 154 PS bei 6250 Umdrehungen pro Minute (U/min) erreichte, erhielt die Bezeichnung 180 RS. Das Fahrzeug mit Zweiliter-Motor, der bei 6000 U/min auf 163 PS kam, erhielt den Namen 200 RS. Auf der Suche nach einem geeigneten Getriebe entschieden sich die Konstrukteure für das handgeschaltete Porsche-Fünf-Gang-Getriebe vom Typ 915.003.133 und eine Einlamellenkupplung mit Tellerfeder von Fichtel & Sachs.

Im Ergebnis kamen die sehr leichten Rallye-Fahrzeuge auf ein Gewicht von etwas über 800 Kilogramm und erzielten je nach Gesamtübersetzung Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 240 km/h. Seinen ersten Einsatz hatte der 200 RS bei der IDA Rallye in der damaligen Tschechoslowakei im Mai 1974, es folgte die Barum Rallye mit zwei Fahrzeugen und die Rallye Skodain Mladá Boleslav, bei der die drei rot-weiß-lackierten Fahrzeuge am 1. Juni 1974 gemeinsam starteten.

Insgesamt entstanden zwei Fahrzeuge vom Typ Skoda 200 RS und ein Skoda180 RS. Zunächst deutete alles darauf hin, dass die Konstrukteure einen Top-Rallye-Wagen entwickelt hatten, der den Vergleich mit den erfolgreichsten Fahrzeugen im Motorsport nicht hätte scheuen müssen. Doch es kam anders: Änderungen im Reglement setzten der Karriere von 180 RS und 200 RS ein jähes Ende: Die neuen Vorschriften schlossen die Homologation von Rallye-Prototypen aus, stattdessen sollten Fahrzeuge auf Basis von Serienmodellen antreten.

In der Folge bauen die Konstrukteure in Mladá Boleslav den Nachfolger 130 RS auf. Als technische Grundlage griffen sie auf den Skoda110 R zurück und nutzten dabei auch ihre Erkenntnisse und Erfahrungen mit dem 180 RS und 200 RS. Das nur 720 Kilogramm schwere Fahrzeug mit Heckantrieb und einem 140 PS starken 1,3-Liter-Motor wurde schnell zum Erfolgsmodell und ließ Konkurrenten bis 1983 auf Rallye-Pisten ebenso hinter sich wie auf der Rundstrecke. (aum/Fotos:Autoren-Union Mobilität/Skoda)

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